Als ich Tiffi adoptierte, entschied ich mich bewusst für einen Angsthund. Nur, dass ich eigentlich gar nicht wusste, was das bedeutet. Vermutlich weiß das niemand, wenn er einen Angsthund aufnimmt. Schließlich handelt es sich nicht um eine Rasse, mit bestimmten rassetypischen Verhaltensweisen usw. Es handelt sich um Hunde, die aus verschiedenen, meist traurigen Gründen ängstlich auf bestimmte Reize reagieren. Aber auch diese Reaktionen können völlig verschieden ausfallen.
Tiffi ist ein rumänischer Straßenhund. Was sie für schreckliche Dinge erlebt hat, können wir nur vermuten. Sicher haben Menschen dabei oft eine tragende, negative Rolle gespielt. Sie hat äusserlich einige Narben. Viel auffälliger sind allerdings die inneren Narben.
Mit Tiffi zu leben bedeutet jeden Tag an einer Art Lotterie teilzunehmen. Manche Tage sind gute Tage und manche Tage sind schlechte Tage. Diese Lotterie findet oft aber auch mehrmals am Tag statt und dann entscheidet es sich ob wir gute Zeiten oder schlechte Zeiten erleben. Die Lotterie ist beeinflussbar. Nur, dass ich manchmal nicht weiß, welche Einflüsse welchen Effekt haben.
Meistens begrüßt mich Tiffi freudig, wenn ich aus dem Schlafzimmer nach unten komme. (Ich glaube ich habe schonmal geschrieben, dass Tiffi freiwillig in meinem Arbeitszimmer schläft.) Es gibt aber auch Tage, an denen sie unglücklich in ihrem Bett oder auf ihrer Couch liegt und mich traurig anschaut, wenn ich runter komme. Das sind tendenziell schlechte Tage. Diesen Tagen geht oft eine Nacht voraus, in denen ich Tiffi unruhig herumstromern und im Schlaf jammern gehört habe. Aber auch das ist nicht immer so.
An schlechten Tagen beziehungsweise in schlechten Zeiten ist Tiffi schreckhafter als üblich, blockiert eher in ganz normalen Alltagssituationen und reagiert auf kleine Fehler meinerseits, die sie normalerweise galant übergeht, relativ extrem. Ich weiß natürlich, dass Ungeduld und Frustration diese Reaktionen nur verschlimmern. Aber manchmal ist es schwierig die nötige Selbstbeherrschung aufzubringen. Manchmal ist es einfach niederschmetternd, wenn der Hund, der zwei Stunden zuvor noch den Kopf auf meinen Beinen abgelegt hat und spielerisch nach meiner Nase geschnappt oder mir Küsse gegeben hat, plötzlich panisch vor mir flüchtet und sich mit eingeklemmtem Schwanz versteckt, weil ich sie ganz normal zu mir gerufen habe.
Manchmal ist es einfach irritierend, wenn der gleiche Hund, der mit unglaublicher Begeisterung und Freude einen völlig unbekannten Wanderweg entlanghüpft und uns anstrahlt, bei einem standard Spaziergang auf der üblichen Strecke in Panik gerät, weil sie sich vor einem Mülleimer oder einem Briefkasten erschreckt. Es strengt an, wenn der gleiche Hund, der wahnsinnig gerne Auto fährt, sich beinahe selber in ihrem Geschirr erhängt, weil ich ihr die Autotür öffne, damit sie einsteigen kann.
Zum Glück geht es auch anders rum. Schlechte Zeiten können in gute verwandelt werden. Wenn Tiffi schlechte Laune hat beziehungsweise in einem Loch steckt, hilft es oft mit ihr durch den McDrive zu fahren (Ja, das ist mein Ernst), einen Ausflug zu einer unbekannten Gassistrecke zu machen oder natürlich das Allheilmittel zu nutzen und ihren besten Freund Shep zu besuchen.
Versteht mich nicht falsch. Wie schon in Glückshund beschrieben kann ich mich eigentlich nicht beschweren. Grundsätzlich ist Tiffi ein Lottogewinn. Nur heißt das eben nicht, dass alles mit ihr nur einfach und schön ist. Es gibt auch Zeiten, die mich an meine Grenzen bringen und mich in Selbstzweifel stürzen und eben andere Zeiten, in denen ich aus dem Lachen nicht mehr rauskomme oder Tränen in den Augen habe, weil meine wundervolle Hündin mir einen Vertrauensbeweis entgegenbringt oder in einer schwierigen Situation souverän reagiert.