Das kleine Orakel der Straßenüberquerung…

Liebe Blogleserinnen und Blogleser,

ich habe ja in Gute Zeiten, schlechte Zeiten… schon mal von Tiffis Stimmungsschwankungen und verschiedenen Tagesformen erzählt.

Grundsätzlich hat sich daran nicht viel geändert. Die schlechten Zeiten sind etwas weniger geworden, aber noch immer ist Tiffi ein Hund mit sehr verschiedenen Tagesformen und je nachdem wie diese aussehen kann man mehr oder weniger von ihr erwarten.

Was sich aber deutlich geändert hat, ist meine Fähigkeit die Stimmungen meines Hundes frühzeitig zu erkennen. Und dabei hilft mir vor allem das kleine Orakel der Straßenüberquerung.

Dazu muss ich kurz unsere Wohnsituation beschreiben. Wir wohnen in einer typisch deutschen Doppelhaushälfte. Vor unserer Haustür ist ein kleiner Weg zur Straße. Links von dem Weg, zum Grundstück der anderen Haushälfte hin steht ein Fahrradunterstand. Rechts vom Weg sind zwei Stellplätze. Einer vor unserem Küchenfenster und einer vor der Garage. An unsere Garage grenzt die Garage der Nachbarn vom nächsten Doppelhaus. Der Gehweg ist gegenüber unserer Auffahrt, auf der anderen Straßenseite.

Das bedeutet, dass ich mit Tiffi immer erstmal die Straße überqueren muss um auf den Gehsteig zu gelangen. Und hier zeigt mir das Orakel tagtäglich mit welchem Hund ich nun Gassi gehe. Das funktioniert folgendermaßen.

Der neutrale Hund.

Geht Tiffi neben mir, mit Schwanz auf Halbmast, aufgestellten Ohren und erhobenem Kopf, dann erwartet mich ein neutraler Hund. Das bedeutet eine Gassirunde, die nicht besonders schnell, aber auch nicht besonders langsam von statten geht. Von Tiffis Seite sind keine besonderen Vorkommnisse zu erwarten. Wenn die Außenwelt es zulässt wird sie ihre ToDo Liste mit großem Ernst und großer Sorgfalt abarbeiten. Der neutrale Hund ist allerdings sehr beeinflussbar für Außenreize. Passiert etwas schönes oder aufregendes auf der Gassirunde kann er sich in einen fröhlichen Hund verwandeln, passiert etwas negatives oder verstörendes, in einen traurigen oder ängstlichen Hund.

Der traurige Hund.

Überquert Tiffi die Straße in Zeitlupentempo, mit hängendem Kopf, Schwanz und angelegten Ohren und lässt sie sich von der Leine eher mitziehen als selber zu laufen, dann hat man es mit dem traurigen Hund zu tun. Die Gassirunde findet dann in Schneckentempo statt. Tiffi schnüffelt wenig, erledigt die nötigsten Geschäfte mechanisch und guckt mich ab un zu traurig an. Selbst andere Hunde oder Angstreize sind ihr dann egal, wenn sie ihr nicht direkt ins Gesicht springen. Nach der Gassirunde geht sie schnurstracks wieder ins Bett und schiebt den Kopf unter ihre Stofftiere. Meistens lässt sie an solchen Tagen auch ihr Frühstück stehen.

Der ängstliche Hund.

Erschrickt Tiffi bereits auf der Auffahrt vor Blättern, Geräuschen und Bewegungen, prescht sie dann panisch auf die Straße um sich schnell hinter mir zu verstecken, wenn die Leine sperrt und überquert dann Hacken schlagend die Straße als ob es sich um eine Schlangengrube handelt, dann habe ich den ängstlichen Hund an der Leine. Der Spaziergang wird sehr mühsam. Tiffi reagiert auf jeden Außenreiz ängstlich bis panisch, selbst auf solche, die ich nichtmal wahrnehme. Andere Hunde reagieren auf sie mit Dominanzgehabe und Drohungen, was unsere Situation nicht gerade verbessert. Mir tut nach so einem Spaziergang meist die Schulter weh, weil Tiffi mehrfach panisch ins Geschirr gesprungen ist und das in verschiedene, immer unerwartete Richtungen. Wenn wir nach Hause kommen will sie sofort Spielen um unser knappes Überleben in der feindlichen Außenwelt zu feiern, erschrickt sobald ich mich bewege und geht dann ins Bett.

Der fröhliche Hund.

Tiffi läuft mich hoch erhobenem Kopf und Schwanz und wild in alle Richtungen wackelnden Ohren zur Grundstückskante. Wenn ich das Zeichen gebe, dass die Straße sicher ist, rennt sie los, umkreist mich hüpfend und springt dann schwanzwedelnd auf den Gehsteig. Es steht eine lustige und etwas alberne Gassirunde bevor. Besonders schnell kommt man nicht voran. Tiffi rennt zwar viel, aber meistens im Kreis. Ausserdem muss sie ihre Nase in jedes Loch stecken um dann vor Begeisterung wieder im Kreis um mich herum zu rennen. Wenn ein anderer Hund in Sichtweite vorbei kommt, muss sie schnell pieseln um dann mit hoch erhobenem Kopf ausdrucksstark nachzuscharren. Reagiert der andere Hund darauf mit Bellen oder einem Ausfall in unsere Richtung, taucht sie schnell hinter mir ab. Allerdings nur um wieder hinter mir hervor zu schießen, wenn der Hund uns den Rücken zudreht und mich wild wedelnd anzuschauen nach dem Motto „Dem haben wir es aber gezeigt!“.

Der störrische Hund.

Dreht Tiffi auf dem Weg zur Straße erstmal Richtung Auto ab, um dann die halbe Straße zu überqueren um dort etwas auf dem Asphalt zu betrachten und mich vorwurfsvoll anzuschauen, wenn ich nicht erlaube, dass sie dort stehen bleibt, habe ich den störrischen Hund dabei. Tiffi will dann immer wo anders hin als ich. Sie biegt an Stellen ab wo wir nie abbiegen und geht geradeaus, wenn wir rechts oder links müssen. Alle paar Meter dreht sie um und geht ein Stück zurück um da hinten was zu beschnüffeln, was sie vergessen hat. Gehe ich nicht mit, stemmt sie sich ins Geschirr und versucht mich mit zu ziehen. Geht das nicht, legt sie sich auch mal hin um mich am weiter gehen zu hindern. Rufe ich sie zu mir kommt sie sehr langsam und im Slalom zu mir. Das Belohnungsleckerlie nimmt sie zwischen die Zähne um es dann demonstrativ auf den Boden fallen zu lassen.

Nun ich gebe zu, es ist gar nicht so schwierig das Orakel zu lesen. Natürlich habe ich das ein oder andere etwas überspitzt dargestellt um die Sache zu verdeutlichen. Auf jeden Fall ist es aber sehr praktisch, weil man sich so auf das kommende einstellen kann. Andererseits ist da natürlich wieder die Frage ob ich durch meine innere Einstellung das Verhalten noch verstärke. Haben eure Hunde auch verschiedene Tagesformen bei der Gassirunde?

Ein Kommentar zu “Das kleine Orakel der Straßenüberquerung…

  1. Bei unseren jetzigen Hunden eigentlich nicht – früher bei Laika war es manchmal so. Da war ich sehr glücklich, dass wir einen direkten Ausgang auf einen Feldwg hatten und nicht erst noch über eine Strasse oder durch einen ort mussten.
    Hier ist nur Cara manchmal angespannt bei sehr starkem Wind oder gar Gewitter … da sind die Spaziergänge sehr kurz und es wird auch nur das Nötigste erledigt. Shadow ist da – sicher wegen seiner Jugend – noch absolut „unlesbar“ … jeder Spaziergang ist ein Abenteuer für ihn 🙂

    Ich finde Deine Art Tiffi zu lesen echt klasse.
    Liebe Grüße,
    Isabella mit Cara und Shadow

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