Glückshund

Ich habe in letzter Zeit viele Hundblogs gelesen und dabei festgestellt, dass es viele Hundehalter gibt, die große Schwierigkeiten mit ihren Hunden haben. Seien es nun gesundheitliche Probleme oder Verhaltensstörungen. Und so kam es, dass ich eine Art geistigen Kassensturz machte und die letzten zwei Monate mit Tiffi ein wenig reflektiert.
Als ich mich für Tiffi entschied, entschied ich mich für einen Hund mit nur teilweise bekannter Vorgeschichte. Ich entschied mich für einen Hund, der den Stempel „Angsthund“ mitbrachte.

Ich führte lange Telefonate mit ihrer Pflegestelle und sie beschrieb mir Tiffi als extrem schwierigen Hund. Von der Beschreibung her ging ich davon aus, dass ich einen Hund bekommen würde, der sich kaum anfassen lies und mit dem man nichts unternehmen könnte. Weiterhin wäre jeder Trainingserfolg, den man mit ihr erreicht, sofort zunichte gemacht, wenn man einen Fehler macht, weil Tiffi dann so traumatisiert wäre, dass sie alles vergessen würde.
Kurzzeitig spielte ich nach diesen ersten Informationen mit dem Gedanken, mir lieber einen anderen Hund zu suchen. Ich dachte über mein Leben nach, über all die Aktivitäten, denen ich so nachgehe. Mittelaltermärkte, Schwertkampftraining, Pen an Paper-Rollenspielrunden, Grillabende mit Freunden. Bei mir gibt es kaum ein Wochenende an dem nicht mindestens ein Abend, eher noch zwei Abende mit unterschiedlichen Aktivitäten belegt sind. Außerdem war ganz klar, dass Tiffi auf jeden Fall mit in die Arbeit muss. Wäre dies das richtige Leben für so einen Hund?

Ich besprach mich ausgiebig mit meiner Hundetrainerin. Und bekam von dieser Seite viel Bestärkung. Nachdem ich die Beschreibungen von Tiffi an Elly weitergegeben hatte, war sie sicher, dass wir das zusammen hinbekommen. Außerdem vertrat sie den Standpunkt, dass ein aktives Leben, mit vielen neuen Situationen für diese Hündin genau das Richtige sein könnte. um sie aus ihrem Schneckenhaus herauszuholen.

Als ich Tiffi persönlich kennenlernte, war für mich ganz klar, dass in diesem Hund sehr viel Potential steckt. Sie war zwar ängstlich, zeigte sich mir gegenüber für ihre Verhältnisse aber sehr offen und zugänglich. Und spätestens als sie so ausgiebig und glücklich mit Shep im Garten der Pflegestelle spielte, war klar, dass ich diesen, genau diesen und keinen anderen Hund haben wollte.
Dennoch waren die Befürchtungen und Sorgen groß als sie einzog. Nur, dass sich diese nicht bestätigten. Tiffi war und ist seit ihrem ersten Tag bei uns ein absoluter Traumhund. Sie geht jeden Tag mit mir in die Arbeit und verhält sich dort vorbildlich. Sie liegt auf ihrer Decke und schläft oder döst vor sich hin. Ab und zu wandert sie ganz leise und unauffällig durch die Büros und schaut ob Jemand sie streicheln möchte. Wenn dem so ist, lässt sie sich streicheln und macht dann ein Nickerchen auf dem Fußboden der Kollegin oder meines Chefs. Wenn keiner Zeit für sie hat oder sie merkt, dass sie nicht erwünscht ist, geht sie wieder auf ihren Platz und wird dort quasi unsichtbar. Gebellt hat sie in der Arbeit noch nie, nicht mal gefiept. Lediglich am Anfang, als sie noch öfter Albträume hatte, hat sie ab und an im Schlaf leise gejammert. Ansonsten hört man von ihr eigentlich nur regelmäßig lautes Schnarchen.
Zuhause ist sie je nach Tagesform zurückhaltend bis aufdringlich. Das darf sie aber auch sein. Schließlich muss sie den ganzen Tag in der Arbeit brav sein. Sie fordert ihre Streicheleinheiten und ihre Spielzeit ein, wie es ihr eben zusteht.
Alleine bleiben ist für Tiffi weder Zuhause noch im Büro ein Problem. Am Anfang hat sie aufmerksam gewartet, bis ich wieder komme. Inzwischen hat sie wohl die Sicherheit, dass ich immer wieder komme und deshalb schläft sie manchmal so tief und fest, dass sie kaum bemerkt, wenn ich mich wieder ins Büro zurückschleiche.
Im Restaurant war Tiffi am Anfang sehr verunsichert, hat aber schnell gemerkt, dass es sie nicht weiter bringt neben dem Tisch zu stehen und uns groß anzustarren. Also legt sie sich hin und schläft, bis wir wieder gehen.
Trotz ihrer Vergangenheit ist sie Menschen gegenüber grundsätzlich offen und freundlich, wenn diese nicht zu schnell auf sie zukommen und sich nicht über sie beugen. Selbst wenn sich Jemand so verhält, wird sie niemals aggressiv, sondern flüchtet einfach nur aus der Situation und sucht sich ein Versteck.
Das alles heißt nicht, dass ich nicht meine Problemchen mit ihr habe. Bisher konnten wir noch nicht mit aktivem Hundeschultraining anfangen, weil der Trainingsplatz sie so sehr einschüchtert, dass sie nur noch nach einem Fluchtweg sucht. Sitz und Platz konnte ich ihr bisher noch nicht beibringen, obwohl ich es wirklich versucht habe. Leider ist für Tiffi jede Situation in der ich etwas von ihr verlange, dass sie nicht sofort begreift, ein Auslöser um sich in ihrem Bett zu verkriechen oder sich, wenn kein Bett zur Verfügung steht, ängstlich in ihr Geschirr zu werfen oder zu flüchten. Auch der Versuch zufälliges Verhalten mit dem Befehl zu verknüpfen war bisher nicht erfolgreich. Sie bekommt die Verknüpfung einfach noch nicht hin. Wenn Tiffi frustriert ist, weil ich nicht aufstehen, wenn sie das möchte, zerstört sie unsere Hausschuhe. (Da sie mir aber als Couchfresserin, Geschirrvernichterin und allgemeine Zerstörerin angepriesen wurde, sind die Hausschuhe ein kleines Übel).
Wie unser „Tiffi ohne Leine“ Experiment verlaufen ist habe ich ja schon mal ausführlich beschrieben. Zudem wird sie nach wie vor oft von anderen Hunden angegangen und ich weiß einfach nicht wie ich richtig reagieren soll. Und wenn ein Fahrradfahrer von hinten auf uns zufährt und ich es nicht rechtzeitig bemerke, liegt Tiffi am Ende der Leine im Feld, Straßengraben, Wald oder sonstigen Untergründen und möchte am liebsten im Boden verschwinden.
Aber diese Problemchen nehme ich gerne in Kauf denn es sind alles Sachen, an denen man gut arbeiten kann.
In der Summe ist Tiffi ein echter Glückshund für mich und ich möchte sie keinen Tag missen. (Gut okay. Ich gebe es zu. Samstag früh um 5.30 Uhr, wenn Tiffi mich darauf hinweist, dass der Menschenmann schon aufgestanden und in die Arbeit gefahren ist und ich doch vielleicht mit ihr Gassi gehen könnte, möchte ich sie ganz kurz ein bisschen missen.)

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