Wir können euch hören…

Liebe Blogleserinnen und Blogleser,

heute muss ich mir Tiffys Blog mal ausborgen, um über eine Angelegenheit zu schreiben, die nicht direkt mit Hunden zu tun hat. Ich hoffe ihr verzeiht mir.

Neulich las ich bei Twitter einen Tweet, der zum Inhalt hatte, dass es doch, wenn man Mittelaltermärkte besucht immer sehr faszinierend sei, dass die Menschen vor 500 Jahren schon Crêpes gekannt haben… Hahahaha!

Solche Texte sehe ich immer wieder beziehungsweise werden sie mir auch immer gerne von allen möglichen Leuten, die wissen, dass ich in einem Mittelalterverein bin zugeschickt.

Beliebte Sätze mir gegenüber sind:

„Das ist ja gar nicht authentisch was ihr da macht!“ „Duscht ihr dann auch nicht?“ „Und die Pest?“ „Frauenrechte bedeuten dir wohl gar nichts!“ „Trägst du dann auch keinen BH?“ „UNREALISTISCH!“

Ich habe dazu mal eine Frage:

Geht ihr eigentlich auch ins Theater und ruft dann plötzlich: „Das ist ja gar nicht der echte Romeo! Und Julia ist viel zu alt, die war doch in der Originalfassung erst 13 Jahre alt!“

Nein, dass macht ihr natürlich nicht! Ihr geht ja ins Theater um euch von den Darstellern unterhalten zu lassen und zum Mittelaltermarkt geht ihr schließlich… ja warum eigentlich? Wenn euch die Darstellung nicht gefällt, dann bleibt doch einfach Zuhause!

Ich werde euch mal ein bisschen was aus dem Nähkästchen erzählen. Wir in dem Mittelalterverein, in dem ich Mitglied bin, sehen uns als Darsteller. Unser Ziel ist es Spaß zu haben und euch, die „Touris“ zu unterhalten.

Alles was ihr in unserem Lager seht, die Waffen, die Rüstungen, die Schlafplätze, die Kisten und Truhen, die Regale, die Zelte haben wir entweder für teures Geld erworben oder in mühevoller Arbeit hergestellt, restauriert usw. Wir zeigen euch gerne alles und erklären es auch. Wir vergleichen gerne die Sachen, die wir ausstellen und die Sachen wie sie vermutlich zu den verschiedenen Zeiten des Mittelalters tatsächlich vorhanden waren. Wir fachsimpeln auch gerne mit euch darüber. Wir geben euren Kindern und auch euch gerne unsere geliebten Schwerter in die Hand und natürlich darf euer Kind auch mal in einen Plattenhandschuh schlüpfen, um zu fühlen wie schwer das ist. Wenn wir merken, dass eure Kinder sich nicht so sehr für historische Fakten interessieren, erzählen wir Geschichten von Raubrittern und Burgen und wilden Schlachten. Wir lassen uns gerne mit euch zusammen fotografieren. Weil ihr es seid, vertrauen wir euch auch ganz leise das Geheimnis an, dass da ein Schlafsack zwischen den Fellen und Decken im Bett versteckt ist, weil es nachts doch recht kalt ist. Auch wenn ihr zum fünften Mal, trotz Bitte es nicht zu tun, mit der Hand an die blanke Klinge des Schwertes gefasst habt, lächeln wir euch noch an und erklären eurem Kind geduldig, dass es lieber nicht ins Lagefeuer fallen sollte. Wir beantworten gerne 500 Mal am Tag die Frage ob das ein richtig echtes Feuer ist und ob wir das Essen im Kessel den wirklich ganz in Echt auch essen.

Wenn ihr dann beim Gehen fragt, was das da für ein Kästchen ist und wir euch zwinkernd erklären, dass es sich um unsere Spendendose handelt und wir uns über einen kleinen Obolus freuen würden, nachdem wir euch gerade eine halbe Stunde Individualbespaßung geboten haben, dann zucken wir mit keiner Wimper, wenn ihr so tut, als würdet ihr die Dose mitnehmen und keinen müden Cent hineinwerft.

Wenn ihr dann an unserer Lagerabspannung steht und zu eurer Partnerin sagt: „Was für Vollspacken, ich hätte da ja keinen Bock drauf und außerdem haben die ja eh keine Ahnung!“ dann tut das weh. Und wir können euch hören. Trotzdem werden wir den nächsten mit genauso viel Freundlichkeit begrüßen und ihn mit der gleichen Motivation herumführen.

Wir hören euch übrigens auch, wenn ihr während der Feuershow unsere Kleidung und unsere Körper durchhechelt. Jedes einzelne: „Guck mal die da!“ „So würde ich mich ja nicht raustrauen!“ „Die ist bestimmt magersüchtig!“ „Guck mal, da quillt der Bauch über die Hose!“ trifft uns bis ins Mark. Trotzdem stehen wir lächelnd auf der Bühne, um euch eine gute Show zu bieten.

Wenn ihr euch jetzt denkt, dass ich mal nicht so jammern soll, weil wir ja schließlich dafür bezahlt werden, solltet ihr euch klar machen, dass wir als Lagergruppe nicht bezahlt werden. Das wir unser Material da hinfahren, euch eine tolle Rüstshow bieten, mittelalterliches Handwerk performen usw. ist unser reines Privatvergnügen. Lediglich für Feuershows und Theaterstücke erhalten wir eine Gage. Diese deckt im Regelfall das Verbrauchsmaterial und unsere Haftpflicht- und Unfallversicherung, die jedes Jahr eine hübsche Summe vertilgt, weil wir als Feuergaukler und Schwertkämpfer nun mal ein hohes Risiko eingehen und dabei auch was schief laufen kann. Deshalb trainieren wir üblicherweise auch einmal pro Woche in der Gruppe und jeder für sich alleine noch zusätzlich.

Also versucht doch mal Mittelaltermärkte als das zu sehen, was sie sind. Eine Art 4D Theater in das ihr eintauchen könnt. Wir Lagergruppen, Darsteller, die Veranstalter und die Händler geben uns alle Mühe euch ein großartiges Erlebnis zu ermöglichen. Gebt uns ein bisschen Anerkennung dafür. Esst eure Steaksemmel und euren Crêpe und macht euch klar, dass die Händler euch mit authentischem, ungewürztem Getreidebrei wohl kaum hinter dem Ofen hervorlocken könnten. Kommt in unser Lager, lasst euch unterhalten, stellt interessierte Fragen und wenn es euch gefallen hat, lasst uns eine kleine Spende da, damit wir noch mehr tolle Sachen kaufen können, die wir euch gerne zeigen möchten. Und wenn es euch aus irgendeinem Grund nicht gefallen hat, dann seid entweder so mutig und sagt es uns ins Gesicht oder verlasst uns einfach schweigend wieder.

Und wenn ihr mit dem Thema Mittelaltermarkt so gar nichts anfangen könnt, dann bleibt bitte einfach Zuhause oder macht etwas, dass euch Spaß bereitet. Damit tut ihr euch selbst und uns einen Gefallen.

Herzlichst,

eure Karen

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